BBDO, Grey und wie sie alle heißen, sind Branchengrößen, die jeder, der sich mit Werbung befasst, kennt. Als kritischer „Macher“ stellt sich die Frage: Was können die „Großen“ besser? Können sie überhaupt etwas besser? Oder ist es ähnlich wie bei vielen Designer-Labels, dass einfach der Name verkauft? Hauptvorteil und zugleich Nachteil von großen Agenturen ist der immense personelle Kostenfaktor. Sicherlich ist es vorteilhaft, wenn mal eben 10-20 Leute für einen „Pitch“ ein Konzept „brainstormen“ können. Doch leider müssen diese Leute, mit oder ohne Pitch, bezahlt werden. Die Agenturen geraten zunehmend unter Erfolgsdruck, die Kreativität leidet. Auftraggeber, die Budgets von mehreren Millionen Euro vergeben, sehr rar und sehr umkämpft. Gerne wird in einschlägigen Fachmagazinen in blumigen Worten von der Leistungsfähigkeit und Kreativität der großen Agenturen gesprochen. Gemeint sind ausnahmslos die Globalplayer der Branche. Keiner macht sich Gedanken über die kleinen Handwerksbetriebe, wie den Metzger oder den Bäcker. Sind dies alles Firmen, die ohne Werbung, ohne Visitenkarte, ohne Schaufenster, also quasi komplett ohne Werbung überleben? Wer bedient die über eine Million Handwerksbetriebe allein in Deutschland?
BBDO oder Grey
Die Call-Center von BBDO oder Grey werden wahrscheinlich in lautes Gelächter ausbrechen, wenn Müller-Meier neue Visitenkarten für seinen Dachdeckerbetrieb braucht. Wenn die Metzgerei Schmidt gerne eine modernere Schaufensterbeschriftung möchte, wird sich die Aquise-Abteilung von Grey wahrscheinlich wegen multipler Zwerchfellrisse in der Notaufnahme wieder finden. Tausende von Druckereien, Litho-Centern und wie sie sich alle nennen, produzieren Werbung. Die Einen besser, die Anderen schlechter. Doch wie ist die Kreativleistung und der erwirtschaftete Gewinn zu bewerten? Ist die Kreativleistung niedriger, nur weil ein Zwei- oder Drei-Mann-Unternehmen keine Zeit hat, seitenlange Powerpoint-Präsentationen vorzubereiten, Musterdrucke zu erstellen und dies in zehn Vorständen gleichzeitig zu präsentieren? In den kleinen Hinterhof-Werkstätten arbeiten die Angestellten nicht für Ruhm und Anerkennung, sondern für Essen. Dies scheint bei den Großen in Vergessenheit geraten zu sein. Dort wird nur noch für den Ruhm gearbeitet (danke liebe Praktikanten). Deshalb kosten diese Agenturen natürlich auch viel weniger. Man bekommt die Werbekampagne quasi geschenkt und die Agenturen partizipieren vom Erfolg der Kampagne, in dem sie die Anerkennung als Bezahlung akzeptieren (kleine Anmerkung: Das war ironisch gemeint).
Die kleinen Agenturen
Selbstverständlich bekommt man auch von der kleinen Agentur Entwürfe und Konzepte. Aber die Kapazitäten, um die wirklich großen Pitches zu gewinnen, dürften beschränkt sein. Die Auftraggeber sehen aber leider nur die Präsentationen, welche mit viel Aufwand und „Tamtam“ in Szene gesetzt werden. Auch Investitionssicherheit ist ein großes Thema bei den Firmen, die ihre Multimillionen-Dollar-Budgets verteilen. Bestimmt wäre es nicht witzig, wenn man Firmen wie Daimler, VW, Coca-Cola oder Marlboro plötzlich ohne werbliche Unterstützung wieder finden würde und der Chef der kleinen Agentur auf den Malediven in Saus und Braus lebt. Doch dies hier soll eine Ode an die kleinen, in fensterlosen und stickigen Büros sitzenden Art-Direktoren sein, die niemals die Berühmtheit ihrer „Kollegen“ erreichen. Gedankt sei den unzähligen Mediengestaltern, die Tag ein und Tag aus Visitenkarte, Fresszettel, Briefbogen und Gott weiß was produzieren. Zusammengenommen dürfte die Kreativität und die Umsätze/Gewinne dieser kleinen Betriebe um ein Vielfaches höher liegen, als die der „Großen“. Leider ist dies, wie so oft im Leben, unter Ausschluss der Anerkennung der Öffentlichkeit. Wer kennt schon die Putzfrau, die bei Aldi die Gänge putzt, so dass wir nicht durch zentimeterdicken Dreck zu unseren Angeboten waten müssen. Wer weiß schon, wie der Bauarbeiter, der das Stromkabel für unser Haus verlegt, heißt? Keiner!!! Trotzdem sind diese Leute vorhanden und generieren eine Arbeitsleistung und einen Umsatz und Gewinne. Und was hört man davon in den Medien? Nichts! Dort steht nur, wie viel Milliarden Euro Gewinn die Deutsche Bank erwirtschaftet hat und wie viel Milliarden Thyssen-Krupp an Erträgen generieren konnte. Kein Mensch redet von Frau Müller-Lieschen, die es schaffte, ihren Ratenkredit abzuzahlen und dabei noch 100 Euro auf das Sparbuch zu überweisen. Eine weitere Frage, die mich beschäftigt: Wo sind die „Alten“ der großen Agenturen? Sind die ganzen Art-Direktoren, Key-Accounter auf einer Südseeinsel und frönen dort den schönen Dingen des Lebens? Oder bekommen sie in einem dunklen Kellergeschoss in den Firmenhochhäusern ihr Gnadenbrot?
Wo sind die über 40jährigen Werber der großen Agenturen?
In der Werben & Verkaufen liest man immer, wer wohin gewechselt hat, doch was ist mit den Leuten, die diesen Posten zuvor besetzten? Südseeinsel oder Kellerloch? Was ist mit den ganzen Praktikanten, die für Anerkennung, aber nicht für Geld in den Agenturen schwitzen und schuften? Alle in Festanstellung, mit Wahnsinnsgehalt? Diese Fragen bleiben leider offen in der großen, bunten Werbewelt der Elite-Werbeagenturen. Zweiter ist hier erster Verlierer. Fazit: Ich bin der Meinung, dass die Werbung der Globalplayer völlig überbewertet ist. Geld wird auch mit der Visitenkarte für den Heizungsinstallateur verdient. Die Anerkennung gibt es auch noch gratis als Bonus. Jeder von uns „Normalos“ kennt doch den Gesichtsausdruck, wenn jemand seine Werbeflyer in Empfang nimmt und mit Stolz in der Stimme sagt: Das ist die Werbung für meine Firma, möchten Sie eins behalten? Ich plädiere für mehr Gerechtigkeit bei Ruhm und Anerkennung. Doch leider ist es wie in jeder Situation des Lebens: Einige wenige bekommen den Applaus und die Arbeit machen andere. Danke liebe „kleinen“ Agenturen, dass ihr euren Beitrag zum Bruttosozialprodukt leistet und auch Verlierern wie uns, Brot und Wasser ermöglicht. Meine Bitte an die Statistiker: Rechnet doch aus, wie viel Umsätze die, sagen wir 10-20, größten Agenturen im Verhältnis zu allen anderen machen. Ich denke, das Ergebnis ist für eine Überraschung gut.
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